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Wiesenbrütende Vögel

Wiesenbrüter
Die Bekassine ist ein bedeutender Wiesenbrüter in Bayern. Foto: Rebecca Müller

Wiesenbrüter sind Vögel, die ihr Nest(auch Gelege genannt) direkt auf den Boden, bevorzugt im feuchten und weitläufigen Grünland bauen. Diese Vögel profitieren also besonders von Auen- oder Moorlandschaften oder von landwirtschaftlich geprägten Gebieten mit einem hohen Anteil an Offenland. Zu den wiesenbrütenden Vogelarten gehören der Große Brachvogel, Kiebitz, Bekassine, Wachtelkönig, Braunkehlchen, Wiesenpieper, Grauammer, Uferschnepfe und Rotschenkel. Auch die Feldlerche wird in Fachkreisen dazugezählt.
Wiesenbrüter stellen für ornithologisch interessierte Menschen ein beliebtes Beobachtungsziel dar: Der Balz-Flug der Kiebitze ähnelt z.B. durch seine wilden Flugmanöver mit spektakulärem Haken-Schlagen in der Luft und begleitet durch laute Flötentöne einer artistischen Flugshow. Dieses Schauspiel bleibt für viele Menschen unvergessen.

Aber nicht nur Kiebitze, sondern alle Wiesenbrüter sind in der Bevölkerung sehr beliebt und werden gerne beobachtet. Zudem kommt ihnen als Schirmarten eine besondere Bedeutung zu: Weil Wiesenbrüter hohe Ansprüche an ihren Lebensraum stellen, sichert ihr Schutz zugleich auch das Überleben vieler weiterer Arten. Ein Grund mehr, weiterhin zielstrebig am Erhalt ihrer Arten zu arbeiten.

Brachvogel in einer Heidelandschaft, Foto: Tim  Korschefsky
Kiebitz auf einer Wiese,  Foto: Tim  Korschefsky
Schön zu sehen ist hier der lange  orangene Schnabel der Uferschnepfe, Foto: Tim Korschefsky
Rotschenkel, Foto:  H.J. Fünfstück
Braunkehlchen-Männchen, Foto: H.J. Fünfstück
Wachtelkönig, Foto:  H.J. Fünfstück

Wiesenbrüter in Gefahr

Der Bestand der Wiesenbrüter sowie deren Bruterfolg nehmen in Deutschland seit Jahrzehnten ab. Da in Bayern ein bedeutender Teil der in Deutschland vorkommenden Populationen brüten, tragen wir hier eine besondere Verantwortung für den Fortbestand dieser Artengruppe. Wiesenbrüterschutz ist der Schutz der gesamten Lebensraumgemeinschaft der feuchten Wirtschaftswiesen und –weiden.
Alle Wiesenbrüter stehen auf der Roten Liste der Brutvögel Bayerns (2016). Mit Brachvogel, Rotschenkel, Uferschnepfe, Bekassine, Braunkehlchen, Wiesenpieper und Grauammer sind bei uns sieben Arten sogar vom Aussterben bedroht (Rote Liste 1), Kiebitz und Wachtelkönig sind stark gefährdet (Rote Liste 2). Die Feldlerche ist gefährdet (Rote Liste 3). Aber warum ist das so? Lebensraumverlust und Lebensraumveränderungen sind hierfür die Hauptgründe: 

Mit der zunehmenden Intensivierung der Grünlandbewirtschaftung ab den 1960er Jahren ging zwangsläufig der verfügbare Lebensraum der Wiesenbrüter immer weiter zurück. Besonders die Umwandlung von artenreichen hin zu artenarmen und ertragreichen Grasbeständen, aber auch die Umwandlung in Ackerflächen und Aufforstungen sind für diese kritische Entwicklung verantwortlich.

Wo Wasser ist, da ist Leben. Wiesenbrüter benötigen feuchte Wiesen mit hohem Grundwasserstand und vielen Nassflächen. Dort finden sie genügend Nahrung und Schutz vor Fressfeinden. Eine intensive Grünlandbewirtschaftung mit schnellen und schweren Maschinen benötigt jedoch trockenere Wiesen. Aus diesem Grund werden auf nassen Flächen unterirdisch so genannte Drainagen gelegt, die Wasser schnell abfließen lassen.
Am Beispiel des Regenwurms lässt sich die Problematik gut darstellen: Ist die oberste Bodenschicht feucht, halten sich Regenwürmer ganztägig oberflächennah auf. Auf eher trockenen Wiesen sind die Regenwürmer nur am Morgen an der Oberfläche. Sie müssen sich im Laufe des Tages tief in die unteren und feuchten Horizonte des Bodens zurückziehen, wo sie für Vögel als wichtiges Nahrungselement unerreichbar sind.
Zudem steigt der Durchdringungswiderstand des Bodens, je trockener der Boden ist. Die langen Schnäbel mancher Wiesenbrüter sind bestens angepasst, um in den tieferen Regionen in nass-feuchten, weichen Schichten des Bodens nach Fressbarem zu suchen. Bei trocknem Oberboden ist ihnen das nicht möglich.

Mit dem Aufkommen immer größerer und leistungsfähigerer Traktoren und anderem landwirtschaftlichen Gerät musste auch das Relief der Wiesen angepasst werden. Früher konnten Unebenheiten im Gelände und Mulden in der Wiese noch mit kleinerem Gerät ausgemäht werden, dies nahm aber entsprechend Zeit in Anspruch.
Größere Traktoren tragen meterlange Mähwerke, verrichten dieselbe Arbeit in einem Bruchteil der Zeit und arbeiten somit wirtschaftlicher. Allerdings können diese dann aufgrund ihrer Dimensionen die hier genannten Unebenheiten schlecht oder überhaupt nicht mähen. So wurden viele Unebenheiten in der Wiese aufgefüllt, um das ganze Grünland im besten Fall als eine ebene Fläche zu gestalten. Das beschriebene Mikrorelief in der Wiese (insbesondere feuchte bis nasse Senken) ist aber ein Schwerpunktlebensraum als Nahrungs- und Brutplatz unserer wiesenbrütenden Vögel. Deshalb ist das Auffüllen von Bodensenken im Außenbereich in Bayern inzwischen verboten.
Mit der Zeit bilden sich im Boden o.g. Unebenheiten im Gelände aber wieder aus.
Um den ebenen Zustand des Grünlands zu erhalten, walzen die Bewirtschafter die Flächen im Frühjahr regelmäßig. Werden diese Arten der Bearbeitung durchgeführt, nachdem Wiesenbrüter mit der Brut schon begonnen haben, werden die Eier zerstört oder die kleinen Jungvögel getötet. Das Walzen nach dem 15. März unterliegt seit 2020 daher besonderen Regelungen.  

Die moderne Milchwirtschaft stellt einen hohen Anspruch an die Qualität des Grundfutters. Dies wird auf der Fläche vor allem dadurch erreicht, dass ertragreiche, dicht und schnell wachsende Pflanzen angesät werden. Diese haben einen hohen Stickstoffbedarf, der entsprechend zugegeben werden muss - durch Düngung.
Wiesenbrüterlebensräume dürfen aber nicht so wuchsfreudig sein und vertragen keine starke Aufdüngung. Gerade die wenige Zentimeter großen Jungtiere kämpfen in den dichten Grasbeständen mit einer eingeschränkten Bewegungsfreiheit, werden schneller nass und unterkühlen somit leichter. Hier ergeht es den Tieren ähnlich wie uns – wer nasse Haare bzw. ein nasses Gefieder hat, wird schneller krank. Junge Wiesenbrüter sind in den ersten Tagen nach dem Schlupf nicht in der Lage ihre Körpertemperatur selbstständig zu regulieren. Bei nassen Bedingungen und dichten Wiesen erfrieren daher viele Jungvögel.

Feuchtstelle m
In lückig stehenden und feuchten Bereichen einer Wiese können sich Jungtiere gut bewegen und finden nach Nahrung stochern. Hier haben die Jungtiere der Wiesenbrüter eine höhere Überlebenschance. Foto Tim Korschefsky

Unter Sukzession ist hier die beginnende Verbuschung und schlussendlich Bewaldung einer Offenlandfläche zu verstehen. Diese ist ungünstig für unsere Wiesenbrüter.
Denn diese benötigen die Weiten des Offenlandes, da hier nahende Beutegreifer schon aus der Distanz erspäht werden können und keine Ansitzmöglichkeit für diese in der Nähe von Nestern oder Jungvögeln vorhanden sind. Im Umkehrschluss halten Wiesenbrüter mit ihrem Gelege also von allem Abstand, was die Sicht versperrt.
Aus Rücksicht auf die Wiesenbrüter sollte daher auf die Neuschaffung und Entwicklung von Sichtbarrieren (z.B. durch Anpflanzung von Hecken oder dem Bau hoher Gebäude) unbedingt verzichtet werden. Aufkommende Gehölzsukzession muss zudem eingedämmt werden.

Aufkommende Weidegebüsche und Bäume schränken den Lebensraum von Wiesenbrütern stark ein. In Wiesenbrütergebieten sollte eine regelmäßige Pflege stattfinden, um eine Verbuschung zu verhindern. Foto: Tim Korschefsky

Ein großes Problem für die Jungvögel der Bodenbrüter, wie Brachvogel, Wachtelkönig und Kiebitz, stellt das zu frühe Mähen einer Fläche dar. Dies kann Gelege zerstören und Jungvögel töten. Landwirte haben ein Interesse, die Wiese zu einem optimalen Zeitpunkt zu mähen. Dieser ist gegeben, wenn die Gräser blühen, aber noch nicht so reif sind, dass die Energie in die Samenanlage gewandert ist und die Pflanze strohig wird.
Über die Jahrhunderte haben sich die Wiesenbrüter mit der kleinräumigen und extensiven Landbewirtschaftung arrangiert. Bei den üblicherweise zweischürigen Wiesen konnten die Vögel in der Phase des ersten Aufwuchses bis Mitte / Ende Juni ihre Küken großziehen. In vielen Regionen wurde beispielsweise traditionell der erste Schnitt der Wiesen am 23. Juni, dem Johannistag begonnen. Fand dann der erste Schnitt statt, zog sich die Heuernte mit dem einfachen Gerät auf einen längeren Zeitraum hin, da noch vor wenigen Jahrzehnten keine schnellen und großen Mähmaschinen zur Verfügung standen. Außerdem wurden vielfach bedarfsgerecht nur kleine Wiesenabschnitte gemäht, um den täglichen Futterbedarf zu decken.
Heutzutage werden Landwirte vom Staat finanziell unterstützt, wenn sie den ersten Schnitt hinauszögern und warten bis die Jungvögel flügge sind. Hiervon profitieren auch Rehkitze, andere Wildtiere und die gesamte Insektenwelt. Das Vertragsnaturschutzprogramm gleicht dem Landwirt den Qualitätsverlust des Futters aus (siehe auch „Produktives Grünland braucht Düngung“).

Klarer Fall - auch bei den Wiesenbrütern gibt es Beutegreifer, die Gelege oder Jungvögel fressen. Hier kann vor allem der Rotfuchs genannt werden, der in unserer heutigen Kulturlandschaft vielerorts gut zurechtkommt. Prädation bedeutet in der Biologie das Töten einer Beute durch einen Fressfeind.
Gerade in trocken Wiesenbrütergebieten können sich Wühlmäuse stark ausbreiten. Durch die Absenkung des Wasserstandes können die Mäuse im Boden leben, ohne dass die Baue überflutet werden. Die Mäuse sind aber eine Leibspeise des Rotfuchses, der damit genau auf solche Flächen gelockt wird. Deshalb trägt ein hoher Wasserstand zu einem geringeren Mäusebestand bei, was somit auch die Räuber in der Wiese reduziert.
Wenn der Rotfuchs in Einzelfällen für die Wiesenbrüterpopulation eine Bedrohung darstellt, so muss sorgfältig überlegt werden, wie er und andere Beutegreifer, so gelenkt werden, dass die Vögel überleben. 

Weidende Tiere vertragen sich grundsätzlich sehr gut mit Wiesenbrütern, sofern die Viehdichte nicht zu hoch wird. Das Stichwort lautet hier „extensive Weidehaltung“. Es wurde sogar ein positiver Einfluss von Kuh- oder Schafbeweidung auf die örtliche Population von wiesenbrütenden Vögeln nachgewiesen. Wie bei allem macht aber auch hier die Dosis das Gift: Je mehr Weidetiere auf einer Wiese weiden, desto unattraktiver wird diese als Brutplatz für die Vögel.

Um ihren Nachwuchs einem möglichst geringen Risiko auszusetzen, wählen Brutvögel ihren Niststandort sehr sorgfältig aus. Tradition spielt dabei eine große Rolle, denn wo die Vögel selbst aufgewachsen sind, ist mit erneutem Bruterfolg zu rechnen. Bevor die Vögel aber ihren Nistplatz aussuchen, beobachten sie das Geschehen in der Umgebung über Tage oder sogar Wochen. Gebrütet wird dann in Bereichen, in denen möglichst wenig Störungen für die Vögel zu erwarten sind.
Sobald ein potentieller Feind dem Gelege zu nahekommt,  wird dieses verlassen. Elterntiere lenken so erfolgreich die Aufmerksamkeit auf sich und weg vom Gelege. Trotzdem bleibt dieser Zeitpunkt für die Eier oder Jungtiere kritisch, da weitere Beutegreifer zuschlagen können oder die Eier drohen auszukühlen.
Wir Bürgerinnen und Bürger, insbesondere aber auch unser vierbeiniger Freund – der Hund – werden von Wiesenbrütern ebenfalls als Bedrohung wahrgenommen. Dies geschieht häufig, ohne dass wir das selbst wahrnehmen. Bitte denken Sie daher stets daran, in Wiesenbrütergebieten folgende Regeln zu beachten:

  • Hunde an die Leine nehmen,
  • Nur auf freigegebenen Feldwegen gehen,
  • Wiesen in der Vegetationszeit nicht betreten,
  • Nur auf öffentlichen und freigegeben Wegen reiten,
  • Drohnenflug und das Betreiben anderer Flugmittel unterlassen,
  • Kein Geocaching oder Ähnliches betreiben.

Ist auf einer Fläche einmal der letzte Wiesenbrüter fort, kommt so schnell keiner wieder.

Wie immer gibt es also nicht die eine Ursache, es sind die vielen kleinen Probleme, die leider für ein schleichendes Verschwinden der Wiesenbrüter sorgen.
Aus diesen Gründen arbeitet der Freistaat Bayern in vielen Bereichen mit den Landwirtinnen und Landwirten zusammen. Über das Vertragsnaturschutzprogramm oder andere gemeinsame Maßnahmen erhalten die Bewirtschafter für eine wiesenbrüterfreundliche Bewirtschaftung eine entsprechende finanzielle Förderung.
Auch durch kleine Anpassungen beim Mähvorgang, wie zum Beispiel nur vom Inneren der Wiese nach außen hin zu mähen, ist die Überlebenschance der Küken deutlich erhöht. Da die Jungen, vor allem bei Gefahr, nur ungern die Deckung verlassen bzw. immer versuchen, Schutz in der noch stehenden Vegetation zu finden, flüchten sie bei der Mahd immer in den noch stehenden Aufwuchs. Im Falle von einer Mahd von innen nach außen werden die Tiere an die Ränder der Wiese getrieben und können Deckung auf den Nachbargrundstücken suchen.
Ideal wäre natürlich auch ein Schnitt, der maximal 10-15 cm über dem Boden ansetzt, so dass sich in den Boden duckende Jungtiere und Insekten möglichst verschont werden. 

Eine letzte Bitte

Wie beschrieben ist zum Schutz der Wiesenbrüter das richtige Verhalten von uns allen wichtig. Beachten Sie daher bitte die Regeln vor Ort. Viele Wiesenbrütergebiete sind entsprechend ausgeschildert. Sie können mithilfe der Infotafeln oder Wegeführungsschilder vielerorts Ihren Freiraum genießen, ohne in den Lebensraum der Wiesenbrüter einzudringen. Wenn Sie eine Gebietsbetreuerin oder einen Naturparkranger sehen (meist durch ein Fernglas in der Hand und einer grünen oder blauen Weste zu erkennen) dann sprechen Sie sie gerne auf die genaue Situation vor Ort an.