Die Natur braucht Raum und Zeit, um sich zu entfalten und zu entwickeln. Wo Menschen die Fläche bebaut haben, sie durch intensive Bewirtschaftung oder durch starke Freizeitnutzung geprägt wird, ist das nur schwer möglich. Deshalb muss es für Tiere, Pflanzen und Pilze landesweit Rückzugsräume geben, die naturverträglich, wenig oder gar nicht genutzt werden. Solche Rückzugsräume müssen dauerhaft in allen Lebensräumen der Kulturlandschaft verfügbar sein und sie müssen auch Sonderstandorte wie Moore, Quellen und Felsen einschließen.
Tiere und Pflanzen müssen sich auch in der Landschaft bewegen können. Ortswechsel sind beispielsweise wegen wechselnder Lebensraumansprüche während der Entwicklung oder im Jahreslauf, zur Fortpflanzung, zur Ausbreitung und als Anpassung an den Klimawandel erforderlich. Ein funktionierender Biotopverbund macht dies möglich – für Tiere ebenso wie für den Transport von Pflanzensamen oder Pollen.
Das starke Bedürfnis der Bevölkerung nach Erholung in der Natur ist unbestritten. Gerade während der Corona-Pandemie hat sich die gesellschaftliche Bedeutung von naturnahen Lebensräumen in der intensiv genutzten Landschaft gezeigt. Es besteht dringender Handlungsbedarf, den Biotopverbund zu optimieren.
Entsprechend den Anforderungen, die sich aus dem Volksbegehren, dem neuen Bayerischen Naturschutzgesetz und dem Begleitgesetz ergeben, konzentrieren sich die folgenden Aussagen auf das Offenland.
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Was ist der Biotopverbund?
Foto: Dr. Andreas Zehm
Der Biotopverbund in Bayern wird als rahmengebende Kulisse konzipiert, die sowohl alle wertvollen Lebensräume umfasst als auch ergänzende Flächen, die zum räumlichen Austausch der Organismen nötig sind. Er ermöglicht der heimischen Artenvielfalt und insbesondere auch gefährdeten Arten ein langfristiges Überleben und bietet Ausbreitungs- oder Wanderwege für Populationen, Arten und ganze Lebensgemeinschaften. Erfolgreich entwickelt und umgesetzt wurde der Biotopverbund bisher vor allem lokal, auf bestimmte Biotoptypen konzentriert oder speziell auf einzelne mobile Arten ausgerichtet. Ein landesweiter Biotopverbund muss aber möglichst viele Arten und Lebensräume einschließen und darf nicht so aufwändig sein, dass seine Herstellung Jahrzehnte dauert. Deshalb enthält der Biotopverbund künftig alle Flächen, die für den Schutz der Biodiversität bedeutsam sind.
Gesetze bestimmen den Aufbau des Biotopverbunds
Das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und das Bayerische Naturschutzgesetz (BayNatSchG) definieren, wie der Biotopverbund beschaffen sein muss.
Der Biotopverbund besteht aus Kernflächen, Verbindungsflächen und Verbindungselementen (§ 21 Abs. 3 Satz 1 BNatSchG).
Auf regionaler Ebene sind insbesondere in von der Landwirtschaft geprägten Landschaften zur Vernetzung von Biotopen erforderliche lineare und punktförmige Elemente, insbesondere Hecken- und Feldraine sowie Trittsteinbiotope, zu erhalten und dort, wo sie nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind, zu schaffen (Biotopvernetzung; § 21 Abs. 6 BNatSchG).
Zur Umsetzung sollen u.a. entlang von Gewässern, Waldrändern und Verkehrswegen Vernetzungskorridore geschaffen werden (Art. 19 Abs. 2 Satz 4 BayNatSchG).
Die oberirdischen Gewässer sind einschließlich ihrer Randstreifen, Uferzonen und Auen als Lebensstätten und Biotope für natürlich vorkommende Tier- und Pflanzenarten zu erhalten. Sie sind so weiterzuentwickeln, dass sie ihre großräumige Vernetzungsfunktion auf Dauer erfüllen können (§ 21 Abs. 5 BNatSchG).
Fachliche Grundlage für die Auswahl der Bestandteile des Biotopverbunds nach § 21 Abs. 3 BNatSchG ist insbesondere das Arten- und Biotopschutzprogramm. Es enthält
1. die Darstellung und Bewertung der unter dem Gesichtspunkt des Arten- und Biotopschutzes bedeutsamen Populationen, Lebensgemeinschaften und Biotope wild lebender Tier- und Pflanzenarten, insbesondere der in ihrem Bestand gefährdeten Arten und Lebensräume,
2. die zu deren Schutz, Pflege und Entwicklung erforderlichen Ziele und Maßnahmen sowie Wege zu ihrer Verwirklichung.
Das Arten- und Biotopschutzprogramm unterliegt als Fachkonzept der ständigen Fortentwicklung (Art. 19 Abs. 2 BayNatSchG).
Der Biotopverbund dient der dauerhaften Sicherung der Populationen wild lebender Tiere und Pflanzen einschließlich ihrer Lebensstätten, Biotope und Lebensgemeinschaften (§ 21 Abs. 1 BNatSchG).
Der Biotopverbund dient der Bewahrung, Wiederherstellung und Entwicklung funktionsfähiger ökologischer Wechselbeziehungen. Er soll auch zur Verbesserung des Zusammenhangs des Netzes „Natura 2000“ beitragen (§ 21 Abs. 1 BNatSchG).
Für die Auswahl von Flächen hat der funktionale Zusammenhang innerhalb des Biotopverbunds besonderes Gewicht (Art. 19 Abs. 2 Satz 3 BayNatSchG).
Die erforderlichen Kernflächen, Verbindungsflächen und Verbindungselemente sind durch Erklärung zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2, durch planungsrechtliche Festlegungen, durch langfristige vertragliche Vereinbarungen oder andere geeignete Maßnahmen rechtlich zu sichern, um den Biotopverbund dauerhaft zu gewährleisten (§ 21 Abs. 4 BNatSchG).
Die Umsetzung erfolgt im Wege kooperativer Maßnahmen (Art. 19 Abs. 2 Satz 5 BayNatSchG).
Die Verwirklichung der Ziele und Maßnahmen des Arten- und Biotopschutzprogramms erfolgt insbesondere in Biotopverbundprojekten (Art. 19 Abs. 2 Satz 7 BayNatschG).
An den unteren Naturschutzbehörden werden im Rahmen der zur Verfügung stehenden Stellen Biodiversitätsberater eingesetzt. Sie sollen helfen, in Zusammenarbeit mit den Eigentümern und Landbewirtschaftern, Kommunen, Erholungssuchenden, Verbänden und sonstigen Betroffenen in ökologisch wertvollen Teilen der Natur und Landschaft gemäß Art. 5b die natur- und artenschutzfachlichen Ziele und Maßnahmen umzusetzen, und den Aufbau des Biotopverbunds nach Art. 19 Abs. 1 zu begleiten (Art. 5d BayNatSchG).
Die Vorbereitung, Betreuung und Ausführung der Maßnahmen kann auch Vereinen übertragen werden, in denen möglichst flächendeckend kommunale Gebietskörperschaften, Landwirte und anerkannte Naturschutzverbände sich gleichberechtigt und für den Naturschutz und die Landschaftspflege einsetzen (Landschaftspflegeverbände) (Art. 5 Abs. 3 BayNatSchG).
Zur Verbesserung der Lebensräume von Arten in der Kulturlandschaft werden im Rahmen der zur Verfügung stehenden Stellen an den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Wildlebensraumberater eingesetzt. Die Wildlebensraumberatung strebt eine bestmögliche Vernetzung von Maßnahmen zur Erhöhung der Biodiversität in der Kulturlandschaft an, mit dem Ziel, Biotopverbünde aufzubauen und die Wirkung von Einzelmaßnahmen zu fördern (Art. 9 Abs. 4 BayAgrarWiG).
Der Freistaat Bayern schafft ein Netz räumlich oder funktional verbundener Biotope (Biotopverbund), das bis zum Jahr 2023 mindestens 10 % Offenland und bis zum Jahr 2027 mindestens 13 % Offenland der Landesfläche umfasst.
Ziel ist, dass der Biotopverbund bis zum Jahr 2030 mindestens 15 % Offenland der Landesfläche umfasst (Art. 19 Abs. 1 BayNatSchG).
Der Biotopverbund soll länderübergreifend erfolgen (§ 21 Abs. 2 BNatSchG).
Biotopverbund als umfassende Naturschutzinitiative für Bayern
Da der Biotopverbund sowohl Artenschutz, Ökosystemfunktionen als auch verschiedene Ansätze zum Schutz naturschutzfachlich wertvoller Flächen integriert, dient er gleichzeitig vielen wichtigen Anliegen des Naturschutzes. Der Biotopverbund soll folgende naturschutzfachliche Ziele erreichen:
Alle Flächen, die artenreiche Lebensräume oder gefährdete Arten beherbergen, sind Bestandteile des Biotopverbunds. Die verschiedenen Schutzgebiete stehen dabei im Mittelpunkt und stellen die meisten Kernflächen. In der Kulturlandschaft haben aber auch kleine oder isolierte Flächen außerhalb von Schutzgebieten eine wichtige Funktion, beispielsweise als Lebensräume für Wildbienen oder seltene Pflanzen. Einen ersten Überblick über die ökologisch wertvollen Biotope gibt die Biotopkartierung.
Die spezifischen Lebensraumansprüche von Tieren, Pflanzen und Pilzen sind bei der Ausgestaltung des Biotopverbunds zu berücksichtigen. Die Größe der zu sichernden Biotope und ihre Verteilung im Raum ist für den Biotopverbund so zu bemessen, dass die heimischen Arten auf Dauer überleben können. Insbesondere für die Erhaltung und Förderung bedrohter Arten ist das entscheidend. Gefährdungsgrad, Seltenheit und internationale Verantwortung sind Kriterien dafür, welche Arten und Biotope vordringlich zu schützen sind.
Die Kernflächen sind die entscheidenden Refugien, um die charakteristische Artenvielfalt unserer bayerischen Heimat zu erhalten. Die wichtigsten Flächen werden im Arten- und Biotopschutzprogramm (ABSP) aufgezeigt und umfassen vor allem Schutzgebiete – darunter Natura 2000-Gebiete – und gesetzlich geschützte Biotope, aber auch Lebensräume gefährdeter Arten außerhalb von Schutzgebieten. Insbesondere Flächen in Schutzgebieten, die für den Erhalt der Artenvielfalt zu intensiv genutzt werden oder ihre ökologische Funktion aus anderen Gründen unzureichend erfüllen, müssen so entwickelt und gepflegt werden, dass sie zum Biotopverbund wirkungsvoll beitragen. Oftmals ist eine naturverträgliche Nutzung für den Erhalt von Lebensräumen notwendig. Hier hilft das Vertragsnaturschutzprogramm (VNP), das Landwirte für die oftmals aufwendige traditionelle Bewirtschaftung solcher Flächen angemessen honoriert.
Die dauerhafte Sicherung des Biotopverbundes ist notwendig, weil sich viele Austauschprozesse zwischen Populationen langsam vollziehen und viele Lebensräume lange Zeiträume benötigen, um eine naturschutzfachlich hohe Qualität zu entwickeln. Deshalb ist eine langfristige Sicherung der Bestandteile des Biotopverbundes rechtlich vorgegeben. Die möglichen Instrumente, die von Schutzgebieten über planungsrechtliche Festlegungen bis hin zu langfristigen vertraglichen Vereinbarungen reichen, erlauben dabei für den Einzelfall passende Lösungen zu finden.
Der Biotopverbund soll ausreichend vitale Populationen der landschaftstypischen, häufigen Arten beherbergen und die Rückzugsgebiete für seltene Arten bereithalten. Ihr Erhaltungszustand soll so gut sein, dass sie als Quell-Populationen wirken, von denen die Ausbreitung in andere Räume ausgeht. So kann die Artenvielfalt in die Kulturlandschaft zurückkehren, die in den letzten Jahren gravierende Einbußen erlitten hat.
Bayerns Landschaften sind weltberühmt und einzigartig. Die regionalen Besonderheiten mit ihrer charakteristischen, einmaligen Artenausstattung gilt es zu bewahren. Dazu gehört, im Biotopverbund soweit wie möglich zu verhindern, dass eingeschleppte invasive Arten Lebensräume überprägen und durch das Ausbringen nicht regionaltypischer Herkünfte von Pflanzenarten die autochthonen Bestände verfälscht werden und lokale Besonderheiten verschwinden.
Die funktionalen Wechselbeziehungen zwischen Lebensräumen ergeben sich vor allem durch den Ortswechsel von Tieren und Pflanzen. Diese Ortswechsel können verschiedenen Zwecken dienen, so
müssen Tiere zur Fortpflanzung einen Partner suchen,
nutzen viele Tiere mehrere Lebensraumtypen im Wechsel, z. B. als Ruhestätte, Nahrungs- oder Fortpflanzungsgebiet,
unterscheiden sich vielfach die Lebensraumansprüche von Jugendstadien und ausgewachsenen Tieren, z. B. von Raupe und Falter bei Schmetterlingen,
erschließen abwandernde Tiere oder verfrachtete Pflanzensamen bislang nicht besiedelte Lebensräume oder Flächen, in denen sie zuvor zum Beispiel durch zufällige Witterungsereignisse – verschwunden waren,
bewirken Zu- und Abwanderungen bzw. Verfrachtungen den genetischen Austausch zwischen Teilpopulationen, was die Anpassungs- und Überlebensfähigkeit der gesamten Population steigert.
Ein funktionaler Biotopverbund ist nur gegeben, wenn zwischen Populationen tatsächlich ein genetischer Austausch stattfindet, also Individuen, Samen und Pollen vom einen Ort zum anderen gelangen. Für den funktionalen Zusammenhang von Flächen sind nicht nur die Distanz zwischen ihnen und die Beschaffenheit von Barrieren entscheidend, sondern auch die Mobilität der Arten. Flugfähige Organismen können zumeist größere Distanzen überwinden als auf der Bodenoberfläche laufende oder sogar im Boden lebende. Sehr standorttreue Tiere und Pflanzen können benachbarte Flächen nur erreichen, wenn sie dorthin transportiert werden, z. B. durch Weidetiere, Wind, fließendes Wasser, andere Tiere oder den Menschen. Um die Funktionalität des Biotopverbunds für wenig mobile Arten zu gewährleisten, kann es nötig sein, passende Austauschprozesse zwischen den Flächen zu etablieren, indem man unterschiedliche Mechanismen des Genaustauschs fördert. Wenn beispielsweise Weidetiere über die Flächen wandern oder Mahdgut übertragen wird, kann sich auf Verbundflächen eine artenreiche, regionaltypische Flora entwickeln, die vielen Tieren Lebensraum bietet. Ortswechsel sind für Arten besonders schwierig, die an Lebensräume gebunden sind, die natürlicherweise nur punktuell in der Landschaft verteilt und voneinander isoliert sind, z. B. Hochmoore und Felsen. Manche Arten überdauern seit Jahrhunderten oder sogar seit der letzten Eiszeit auf solchen Biotopinseln. Als Relikte früherer Epochen der Landschaftsgeschichte – vielfach mit einzigartiger genetischer Ausstattung – sind sie besonders schutzwürdig.
Für die Ausbreitung und Wanderung von Organismen muss der Biotopverbund dauerhaft zusammenhängende Flächen und Elemente enthalten, die über größere Entfernungen so genannte Korridore bilden. Sie sollten eine gute Lebensraumausstattung aufweisen und nicht durch unüberwindliche Barrieren unterbrochen sein. Halboffene Biotope, zum Beispiel Grünland mit eingestreuten Gehölzen, wie sie durch extensive Beweidung entstehen, sind für eine Vielzahl von Arten optimal und deshalb sehr gute Korridorflächen. Aber auch andere Lebensräume können im großräumigen Zusammenhang als Korridore wirken, wie es beispielsweise die Mainfränkischen Magerrasenkomplexe zeigen. Dabei müssen die Flächen nicht zwingend durch lineare Strukturen verbunden sein, aber die Arten müssen in die Lage versetzt werden, potenzielle Lebensräume zu erreichen und zu besiedeln. Das lässt sich zum Teil auch durch eine hohe Dichte geeigneter Biotope in der Landschaft erreichen. Die klassischen Wanderachsen für Arten bilden dabei einen Schwerpunkt der Bemühungen, so
z. B. die dealpinen Flussläufe, die großen Talräume oder die historischen Zugwege von Weidetierherden. Maßgeblich für die Wirksamkeit von Verbindungsstrukturen ist neben der Ausdehnung und räumlichen Verteilung auch, wie die Biotopverbundelemente beschaffen sind. So ist beispielsweise eine Verknüpfung von Magerrasen über Gewässerrandstreifen oder Hecken wenig zielführend, da die an trocken-warme Lebensbedingungen angepassten Magerrasenarten in feuchten und schattigen Verbindungselementen keine geeigneten Lebensbedingungen vorfinden.
Sind zwischen den Kern- und Verbindungsflächen zu große Distanzen oder Hindernisse, die für bestimmte Arten als Barrieren wirken, muss der Korridor durch geeignete Maßnahmen durchgängig gemacht werden. Lücken im Biotopverbund werden durch Verbindungselemente oder Trittsteinbiotope leichter überwindbar und Barrieren müssen durch Querungshilfen entschärft werden. Das können an Straßen und Schienenwegen z. B. Talbrücken, geräumige Durchlässe für Fließgewässer, passende Unterführungen oder Grünbrücken sein. Bei allen Maßnahmen muss sichergestellt werden, dass nicht nur allgemein häufige Arten oder gar invasive Neobiota neue Lebensräume erreichen können, sondern auch seltene oder an spezielle Umweltbedingungen angepasste Tiere und Pflanzen den Weg zum nächsten für sie geeigneten Standort finden.
Für die saisonalen Wanderungen der Zugvögel und Fledermäuse zwischen ihren Sommerlebensräumen und Überwinterungsgebieten spielt die Gestalt der Landschaft eine größere Rolle als der lokale Biotopverbund. Die meisten Arten ziehen in breiter Front zu ihren traditionellen Rastgebieten
Um die für den Biotopverbund wichtigen, naturschutzfachlich hochwertigen Flächen und die nötigen Verbund-Komponenten zu identifizieren, wird das Arten- und Biotopschutzprogramm (ABSP) genutzt und den neuen Anforderungen entsprechend weiterentwickelt. Dem ABSP können dann die Auswahlkriterien, wertvolle Artenvorkommen und andere im Bezugsraum zu berücksichtigende Prioritäten für die Flächen entnommen werden.
Der Klimawandel zwingt viele Arten, ihre bisherigen Vorkommen in Bereiche zu verlagern, die in der Zukunft für sie günstige Witterungsbedingungen aufweisen werden. In einer durchgängigen Landschaft können Populationen sich an klimatische Veränderungen eher anpassen, indem sie durch Ausbreitung oder Mobilität neue Flächen besiedeln. In einer stark durch Barrieren zergliederten Landschaft besteht hingegen die Gefahr, dass eine Verlagerung in sich neu entwickelnde Gunsträume nicht möglich ist und Populationen dann unter zu warmen Bedingungen, durch Trockenheit oder Extremwetterereignisse lokal aussterben.
Entscheidend für den Erfolg einer Anpassung durch Verlagerung des Areals einer Population sind genügend Nachkommen, die abwandern können, deren spezifische Mobilität und eine hohe Wahrscheinlichkeit, passende Lebensräume zu finden. Ein funktionierender Biotopverbund mindert das Aussterberisiko also deutlich.
Politische Grenzen stellen für Organismen keine Barriere dar. Absprachen zwischen Nachbarregionen, wie die Landschaft entwickelt und genutzt werden soll, sind deshalb zweckmäßig und oft sogar unerlässlich, um Populationen beiderseits von Verwaltungsgrenzen ähnliche Lebensraumqualitäten zu bieten und die Teilpopulationen auf beiden Seiten zu stärken. Die Überlebensfähigkeit von Arten wird dadurch insgesamt verbessert.
Biotopverbund ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, weil alle von intakter Natur profitieren. Zur Sicherung unserer Lebensgrundlagen sind wir alle in der Pflicht, gemeinsam praktikable Lösungen finden, um einen funktionierenden Biotopverbund in Bayern zu etablieren. Bei der Ausweitung, Erhaltung und Pflege des Biotopverbunds ist der Naturschutz auf die Mitwirkung von Partnern angewiesen. Dies ist besonders wichtig in der Agrarlandschaft, wo der Biotopverbund im Einklang mit einer nachhaltigen Nutzung wirken soll. Die staatliche Biodiversitäts- und Wildlebensraumberatung unterstützen die Konkretisierung des Biotopverbunds vor Ort.
Stand des Biotopverbundes in Bayern
Der Biotopverbund ist bereits in der Bayerischen Biodiversitätsstrategie, die vom Ministerrat am 1. April 2008 beschlossen wurde, einer der vier wichtigsten Handlungsschwerpunkte. Im Biodiversitätsprogramm Bayern 2030, das die Staatsregierung im Juli 2014 verabschiedet hat, ist die Verbesserung des Biotopverbunds ebenso hervorgehoben und differenzierter dargestellt.
Nachdem 2019 das neue Bayerische Naturschutzgesetz in Kraft trat, wurde der aktuelle Stand des Biotopverbundes in Bayern bilanziert. Um diesen Flächenanteil zu ermitteln, wurden Flächeneinheiten aufsummiert, die die naturschutzfachlichen und rechtlichen Anforderungen des Biotopverbunds erfüllen. Dies sind:
Natura 2000-Flächen (in der FFH-Managementplanung erfasste naturschutzfachlich wertvolle Flächen und Wiesenbrüterflächen in EU- Vogelschutzgebieten)
Naturschutzgebiete
Nationalparke
Naturdenkmäler und geschützte Landschaftselemente
Geschützte Landschaftsbestandteile
Gesetzlich geschützte Biotope
Nationale Naturerbe-Flächen
Flächen im Ökoflächenkataster
Flächen im Bayerischen Vertragsnaturschutzprogramm
Geeignete Maßnahmen des Bayerischen Kulturlandschaftsprogramms
Diese Bilanzierung zeigte, dass der Biotopverbund etwa 9 % der Fläche des Offenlands in Bayern einnimmt (Stand 2019). Aufgrund der landesweiten Datenlage und einer notwendigerweise guten Praktikabilität für die Bilanzierungen in den nächsten Jahren wurden dabei nur Flächeneinheiten einbezogen, die bereits wertvolle Flächen zusammenfassen und qualitativ hochwertig sind.
Nicht nur mobile Arten, wie diese Schwebfliege, sind darauf angewiesen über den Biotopverbund immer wieder neue Lebensräume zu erreichen und ggf. dort lebende Populationen genetisch zu bereichern. Viele flugunfähige Arten brauchen dazu die Hilfe anderer Arten oder sehr starken Wind. (Foto: Andreas Zehm)
Qualitative Verbesserung des Biotopverbundes
Grundsätzlich können in den Biotopverbund nur Flächen einbezogen werden, die eine hohe ökologische Qualität aufweisen oder zumindest erreichen können, wie es die zur Definition des Ausgangszustandes verwendeten Flächeneinheiten bereits tun. Auch Flächen, die das Potential haben, entsprechende Qualitäten zu entwickeln und sich in einem Prozess der Aufwertung befinden, können einbezogen werden. Die Qualitätskriterien sind mit der Biotopkartierung und dem Arten- und Biotopschutzprogramm (ABSP) bereits vordefiniert und werden im Rahmen der Weiterentwicklung des Konzeptes optimiert, auch im Dialog mit betroffenen Partnern.
Für die Bayerische Staatsregierung steht der Biotopverbund im Offenland im Zentrum der Bemühungen, weil hier die Verluste der biologischen Vielfalt am größten sind.
Um eine spürbare Ausweitung des Biotopverbundes im Offenland zu verwirklichen, wurden die folgenden Maßnahmen gestartet:
Angestrebt wird, dass die Biotope turnusmäßig alle 10–15 Jahre flächendeckend erfasst werden. Vorhandene Lücken sind zu schließen bzw. Gebiete mit veraltetem Datenstand vorrangig zu bearbeiten, um so eine bessere, vollständigere Bilanz zu ermöglichen.
Die Datenlage der Natura 2000-Gebiete wird durch die Managementplanung deutlich verbessert und die Maßnahmenumsetzung in den Gebieten zielgerichtet möglich. Das kommt auch dem Biotopverbund zu Gute, weil dabei einerseits wertvolle Lebensraumtypen erkannt, abgegrenzt und für den landesweiten Verbund bilanziert werden. Die Managementpläne werden schnellstmöglich vervollständigt und digital verfügbar gemacht. Die unmittelbar anschließende Umsetzung der Managementpläne führt andererseits zu einer naturschutzfachlichen Optimierung der FFH- und Vogelschutzgebiete. Das verbessert zugleich deutlich die ökologische Funktion des gesamten Biotopverbunds.
Kompensationsmaßnahmen dienen dazu, unvermeidbare Verluste von Lebensräumen auszugleichen oder zu ersetzen und entstandene Lebensraum-Lücken wieder zu schließen. Daher müssen die bestehenden und künftig hinzukommenden Flächen, die für Kompensationsmaßnahmen bereitgestellt werden, vollständig im Ökoflächenkataster erfasst werden, um in die Bilanzierung des Biotopverbundes eingehen zu können. Sie müssen zudem in einen Zustand gebracht werden, wie er im Genehmigungsbescheid oder im Bebauungsplan festgelegt wurde und dem Biotopverbund dient.
Vorgabe des Bayerischen Naturschutzgesetzes ist es, den Biotopverbund vor allem durch kooperative Maßnahmen umzusetzen, um die Unterstützung von Eigentümern wie auch der Gesellschaft insgesamt zu gewinnen und Landwirten für ihr Naturschutz-Engagement eine faire Gegenleistung zu bieten. Das wichtigste Instrument dazu ist das Bayerische Vertragsnaturschutzprogramm (VNP), das den Erhalt von wertvollen landwirtschaftlich genutzten Lebensräumen durch eine naturverträgliche Bewirtschaftung der Fläche sicherstellt. Um dauerhaft wirksam zu sein, wird weiterhin angestrebt, dass VNP-Flächen über möglichst viele Antragsperioden im Programm bleiben und naturverträglich genutzt werden. Dies eröffnet Landwirten langfristige wirtschaftliche Perspektiven und eröffnet die Möglichkeit, dass sich Betriebe gezielt in Richtung Naturschutz entwickeln (z. B. durch Anschaffung von Spezialmaschinen).
zudem werden sukzessive neue Flächeneinheiten einbezogen, was im folgenden Kapitel dargestellt wird.
Ausweitung des Biotopverbundes
Das Bayerische Naturschutzgesetz enthält in Art. 19 Abs.1 Vorgaben, welchen Anteil des Offenlandes der Biotopverbund landesweit umfasst, nämlich
2030 sollen mindestens 15 % erreicht sein (Zielvorgabe).
Insgesamt sind die Herausforderungen, die mit diesen gesetzlichen Zielen für die Entwicklung des Biotopverbunds in der Kulturlandschaft verbunden sind, groß. Die Maßnahmen der Bayerischen Naturschutzverwaltung werden alleine nicht ausreichen, um die Zielvorgaben zu erfüllen. Deshalb haben das neue Bayerische Naturschutzgesetz und zusätzliche Initiativen der Staatsregierung weitere Flächeneinheiten in den Vordergrund gerückt, die zum Offenland-Biotopverbund beitragen sollen:
Gewässer und ihre Gewässerrandstreifen
Infrastrukturflächen von Straßen und anderen Verkehrswegen
Waldränder
Für die Ausweitung des Biotopverbunds ist die Mitwirkung verschiedener Partner notwendig, die über geeignete Flächen verfügen und diese zum Biotopverbund beisteuern wollen. Die notwendige Ausweitung des Biotopverbunds kann insgesamt nur in enger Kooperation mit anderen Flächenverwaltungen, Kommunen, Verbänden, Eigentümern und Bewirtschaftenden gelingen. Die staatliche Biodiversitäts- und Wildlebensraumberatung bietet konkrete Hilfestellungen zur Ausweitung des Biotopverbunds an.
Ziel ist es, spezifische, auf die Partner zugeschnittene Konzepte, Ansätze und Projekte zu entwickeln, um potenziell geeignete Flächen zu identifizieren, gegebenenfalls ihre Biotopqualität und ökologische Funktionalität zu steigern, sie rechtlich zu sichern und in den Biotopverbund zu integrieren. Dabei bleiben die Flächen vollständig in der Zuständigkeit und Verwaltung des jeweiligen Partners. Zwischen dem StMUV und den Partnern abgestimmte Qualitätskriterien garantieren eine ausreichende Funktionalität der Flächeneinheit für den Biotopverbund. Eine passende langfristige Sicherung garantiert, dass die Strukturen dauerhaft für Austauschprozesse zur Verfügung stehen. Diese in der Verantwortung der Partner verbleibenden Flächenkulissen werden einmal jährlich von der Naturschutzverwaltung abgefragt und zu einem Stichtag in die landesweite Rahmenkulisse des Offenland-Biotopverbundes integriert.
Um zeitnah Erfolge zu erzielen, wird angestrebt, besonders auch die Flächen im staatlichen Eigentum bezüglich einer Eignung für den Biotopverbund zu prüfen und den verschiedenen Verwaltungen Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie effektiv zum Biotopverbund beitragen können.
Statusberichte zum Biotopverbund in Bayern
Entsprechend Art. 19 des Bayerischen Naturschutzgesetztes legt die Oberste Naturschutzbehörde jährlich einen Statusbericht über den Biotopverbund vor. Die bislang vorliegenden Berichte finden Sie hier: